von Dorina Anders (26.01.2021)
Nicht wirklich – man braucht nur einen guten Plan: Das Stretta Journal bietet Ihnen hierzu eine ausführliche und praxisnahe Anleitung, die Sie nicht nur in Schulklassen, sondern auch in anderen pädagogischen und kreativen Kontexten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene anwenden können. Für die gewisse Portion Know-how und Inspiration lesen Sie hier weiter...
Dorina Anders hat an der Hochschule für Musik Würzburg Musik für Lehramt an Gymnasien (Doppelfach) mit Hauptfach Klavier studiert. Im Verlauf ihres Studiums hat sie sich neben ihrer Leidenschaft für Chorleitung (von der sie auch im Stretta Talk berichtet) auch mit Popgesang und Songwriting beschäftigt. Ergebnisse dieser Arbeit sind zum Beispiel auf Aufnahmen ihrer Pop-Band Dorina & The Moves festgehalten, auf deren zuletzt erschienener EP Free vier Songs der 25-Jährigen zu hören sind.
„Warum müssen wir uns mit dieser Oper beschäftigen?“, „Klassische Musik höre ich sowieso nicht!“, „Damit kann ich nichts anfangen.“, „Das ist nicht meine Musik.“
Solche oder ähnliche Aussagen hat wohl jede Musiklehrkraft in der Schule schon einmal – wahrscheinlich aber sogar oft – gehört. Der Lehrplan fordert in allen Klassenstufen die Vermittlung einer großen Bandbreite an Stoff. Oben genannte Aussagen zeigen, dass es nicht immer gelingt, die Schülerinnen und Schüler (im Folgenden nur noch SuS) für jedes Thema zu begeistern. Ideen für kreative Projekte im Unterricht geraten leicht in den Hintergrund, denn mit der wenigen Zeit, die einem zur Vermittlung der Stoffmenge zur Verfügung steht, muss gut gehaushaltet werden. Es ist bekannt, dass mit einer kreativen Arbeit sowohl musikalische als auch außer-musikalische Lernziele verfolgt werden können. Bei einem Kompositionsprojekt mit integriertem Vocal-Coaching beispielsweise machen die SuS neben dem Erlebnis, schöpferisch tätig zu werden, auch sinnliche, also Hör- und Körperwahrnehmungserfahrungen. Zusätzlich lernen sie, sich selbst in einem Projekt einzubringen, einen Platz in der Gruppe zu finden, gemeinsam auf ein Ergebnis hinzuarbeiten und Erfolgserlebnisse zu spüren. Sollte man sich bei so vielfältigen Lernzielen nicht doch hin und wieder die Zeit nehmen derartige Projekte umzusetzen?
Im Laufe meines Studiums habe ich mich vermehrt mit Songwriting in Einzel- als auch in Teamarbeit beschäftigt. Das gemeinsame Songwriting mit Bandkollegen war sehr inspirierend und führte zu vielfältigen Assoziationen und Ideen für neue Songs. Als Schulmusikerin überlegte ich, dass ‘Songwriting’ auch für ein Kompositionsprojekt in einer Schulklasse geeignet sein könnte. Eine verrückte Idee? Ich wollte es herausfinden und erstellte deshalb im Rahmen meiner Zulassungsarbeit ein Konzept zum Thema „Songwriting in der Schule“. Dabei stellte ein Vocal-Coaching ein festes Element des Konzepts dar. In meinen Augen war dessen Einbindung elementar für den Erfolg dieses Projekts, denn rückblickend beeinflusste mein Pop-Gesangsunterricht nach dem Lehrbuch Complete Vocal Technique (CVT) von Cathrine Sadolin meine gesamte Bandarbeit als Sängerin und Songwriterin. Gerade die Melodieentwicklung und die Anpassung des Textes an gewünschte Sounds basierten auf dem mir in diesem Unterricht vermittelten Wissen und technischen Können. Mit Hilfe eines Fragebogens erhielt ich zu dem durchgeführten Projekt Feedback von den SuS. Meine daraus gewonnenen Ergebnisse und Erfahrungen möchte ich in dem folgenden Beitrag mit Ihnen teilen, nachdem ich zunächst den Aufbau des Konzepts geschildert habe.
Sollten Sie daran interessiert sein, das Projekt selbst durchzuführen, habe ich das dafür notwendiges Material (Übersichten, detailreiche Informationen, Arbeitsblätter und Quellen zum Nachlesen) als PDF-Dateien vorbereitet. Diese stehen Ihnen zum Download zur Verfügung.
Der Projekttag besteht aus einem Theorie- und einem Praxis-Teil. Im Theorie-Teil werden grundlegende Aspekte des Songwritings vorgestellt: Harmonik, Melodik, Rhythmik, Form und Text. Dabei darf eine praktische Anwendung nicht zu kurz kommen. Das Klavier oder die Gitarre können beispielsweise eingesetzt werden, um verschiedene Möglichkeiten im Bereich der Harmonik zu demonstrieren. Besprochene Analyseparameter werden zum besseren Verständnis beispielhaft auf einen beliebigen Songtext angewendet.
Der Praxis-Teil wird eingeleitet, indem die SuS gemeinsam das Thema für ihren Song finden. Nachdem das Thema und der konkrete Inhalt sowie weitere Details im Plenum festgelegt wurden, werden die SuS in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe ist für einen Formteil zuständig. In der nachfolgenden Arbeitsphase erhält jede Gruppe nacheinander ein Vocal-Coaching und jeweils genügend Zeit, um den Text und die Melodie ihres Formteils zu erarbeiten. Im Anschluss werden die verschiedenen Formteile zu einem Song zusammengesetzt. Zum Abschluss des Projektes wird gemeinsam ein Bandarrangement erarbeitet.
Im Rahmen dieses Beitrags wird lediglich auf Ergebnisse des konkreten Schreibprozesses in Kombination mit dem genannten Vocal Coaching eingegangen. Den SuS wurden für die Evaluierung des Konzepts als Erhebungsverfahren ein Fragebogen ausgehändigt. Fast alle an dem Projekt teilnehmenden SuS gaben an, dass die Informationen des Vocal-Coachings für sie einen gewissen Neuwert hatten. Speziell das erlangte Wissen über die vier Vocal-Modes hat dazu beigetragen, dass eine große Anzahl der SuS die Produktion von verschiedenen Klangfarben mit ihrer Stimme für sich entdeckten.
Wie sich jedoch zeigte, gelang es jeweils nur etwa der Hälfte aller SuS, dieses Wissen bei der Melodieentwicklung anzuwenden. Die Tatsache, dass einigen SuS nach eigener Einschätzung diese Anwendung gelang, belegt, dass die Einbettung eines Vocal-Coachings in ein Songwriting-Projekt an der Schule für die SuS Anregungen bietet und Bestandteil des Konzepts sein sollte. Allerdings ergab sich daraus der Hinweis, dass man dem Vocal-Coaching möglicherweise mehr Zeit einräumen sollte, um dessen Anwendung auf die Melodieentwicklung einem größeren Anteil der Projektgruppen zu ermöglichen.
Interessante Erkenntnisse ergaben sich bei der Auswertung der Einschätzungen, die sich auf die unterschiedliche Vorgehensweise der einzelnen Gruppen bezogen. Während die Strophen-Gruppe den Songtext zunächst ohne musikalische Basis schrieben und eine passende Melodie erst nach dem Vocal-Coaching entwickelten, konzipierte die Chorus-Gruppe zunächst die Melodie und passte den Text an diese an. Während ein Großteil der Strophen-Gruppenmitglieder sich eher schwer taten, ohne musikalische Basis mit der Songwriter-Tätigkeit zu beginnen, fiel es den meisten SuS in der Chorus-Gruppe leicht, den Text an ihre Melodie anzupassen.
Daraus lässt sich ableiten, dass fast alle Teilnehmer den Songwriting-Prozess lieber auf Basis der Musik begonnen hätten. Zusätzlich muss angemerkt werden, dass die SuS der Chorus-Gruppe Text und Melodie gänzlich ohne Hilfe schrieben, wohingegen beide Strophen-Gruppen die Unterstützung der Leiterin bei der Entwicklung der Melodie auf ihren Text benötigten. Das spricht dafür, dass alle Gruppen zunächst auf Basis der Akkorde die Melodie entwickeln und erst im Anschluss daran den Text dazu schreiben sollten.
Bei der Auswertung der Einschätzungen zu der Aussage „Die Melodiefindung für den geschriebenen Text nach dem Vocal-Coaching bedingte bzw. hätte ein Um- bzw. Neuschreiben des Textes bedingt, um eine bessere Verbindung zwischen Text und Melodie herzustellen.“ lässt sich Uneinigkeit der Strophen-Mitglieder herauslesen. Mehr als die Hälfte der Gruppenmitglieder verneinte die Notwendigkeit, den Text aufgrund der Melodie umzuschreiben. Die restlichen SuS dieser beiden Gruppen sahen das Umschreiben aber als mögliche Option an. Aufgrund dieser Unstimmigkeit wurden die einzelnen Antworten der SuS in Bezug auf ihre Einschätzungen zum Vocal-Coaching im Fragebogen überprüft.
Dabei kristallisierte sich folgende Tendenz heraus: Die SuS, die ein Umschreiben des Textes nach der Melodiefindung im Anschluss an das Vocal-Coaching als Möglichkeit sahen bzw. für notwendig hielten, haben laut ihren Einschätzungen zum Vocal-Coaching aus diesem nicht nur neue Informationen gewonnen, sondern konnten diese auch zur Melodieimprovisation und Klangfarbenentdeckung bei der Melodieentwicklung einsetzen. Die SuS jedoch, die die neuen Informationen nicht gleich praktisch anwenden und somit keine Verbindung zwischen dem Vocal-Coaching und der Arbeit als Melodieentwickler herstellen konnten, sahen keinerlei Notwendigkeit, den Text an die erfundene Melodie anzupassen.
Tatsächlich lassen sich aber bestimmte Sounds oder Klangfarben in bestimmten Höhen nicht mit allen Vokalen gleich gut bzw. leicht singen und auch die Textverteilung auf die Melodie kann eine Herausforderung darstellen, wie ich aus eigener Erfahrung beim Songwriting bestätigen kann. Folglich ist ein Umschreiben des Textes realistisch, wenn man einen fertigen Text erst später mit einer erfundenen Melodie verbindet. Der Umstand, dass genau diejenigen SuS erkannt haben, dass ein Umschreiben des Textes eine bessere Verbindung zwischen Text und Melodie ermöglichen würde, die zugleich angaben, das Vocal-Coaching in der Gruppenarbeit angewendet zu haben, zeigt, dass die Informationen aus dem Vocal-Coaching nicht nur die Melodieentwicklung, sondern auch den gesamten Songwriting-Prozess günstig beeinflussen können. Das deutet darauf hin, dass das Vocal-Coaching ein wichtiger Bestandteil des Songwriting-Konzepts ist.
Die weit überwiegende Mehrheit der Projektteilnehmer drückte im Fragebogen ihre Zufriedenheit mit ihren fertigen Song aus. Dieses Umfrageergebnis bestätigt somit den grundsätzlichen Erfolg des Projekttages.
Wie ich an meinem Projekttag feststellen konnte, ist Songwriting in der Schule keineswegs eine verrückte Idee. Vielmehr bietet ein solch kreatives Projekt SuS die Gelegenheit, eine ästhetische und erfüllende Erfahrung im Unterricht zu machen. Die Einbettung eines Vocal-Coachings kann dabei die SuS anregen, während des Singens mit ihrer Stimme zu experimentieren und unterschiedliche Klangfarben zu entdecken. Dies kann Einfluss auf die Text- und Melodieentwicklung nehmen, da die Wortwahl, die Textverteilung und der Melodieverlauf die Klangfarbe beeinflussen. Somit kann das Vocal-Coaching im Songwriting-Prozess zu einer Optimierung der Verbindung zwischen Text und Melodie führen. Die Vermittlung von Gesangstechnik – speziell Popgesangstechnik – stellt eine Bereicherung für das Songwriting-Projekt in der Schule dar.
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