Die Violinsonate Nr. 1 e-moll op. 73, eine „Große Sonate für Violine und Klavier“, nimmt in Joachim Raffs Schaffen eine wichtige Stellung ein: Sie spiegelt zahlreiche, für Raff charakteristische, künstlerische, ästhetische, biografische und rezeptionsgeschichtliche Aspekte wider. Entstanden ist das Werk 1854 in Weimar, als Raff einen Prozess der künstlerischen Selbstfindung durchlebte. Er distanzierte sich zunehmend von seinem Mentor Franz Liszt und setzte sich intensiv mit Wagner sowie dem Ideal der absoluten Musik auseinander – dies zeigt sich auch in der Musik der Sonate. Während Raff die ersten beiden Sätze als „objectivirt“ beschrieb, nahm er die letzten beiden Sätze als „ein Stück von“ ihm wahr, also nicht frei von außermusikalischen Einflüssen.
Der 1. Satz erinnert mit seinem weit ausgreifenden Hauptthema an Mendelssohn, der 2. Satz offenbart die Verfeinerung der klassisch-romantischen Arbeit mit musikalischem Material. Der 3. Satz erlaubt, mit teils rhythmischen, virtuosen Begleitfiguren und harmonisch avancierten Passagen, einen tief „romantischen“, geradezu gepeinigten Einblick in ein Seelenleben à la Sturm und Drang. Der teils aufbrausende letzte Satz greift bereits bekannte Themen wieder auf und schafft damit einen musikalischen Rahmen.
In Zusammenarbeit mit dem Joachim-Raff-Archiv Lachen (CH)
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