von Cathrin Rahn (01.08.2022)
Wer ein Schulorchester leitet, steht immer wieder vor neuen Herausforderungen. Die größte ist wahrscheinlich jedes Jahr aufs Neue ein gut klingendes und spielbares Stück für die vorhandene Besetzung zu finden, denn wer kennt es nicht: Es gibt eigentlich immer viel zu viele Geigen, Querflöten, Klarinetten und Trompeten, aber keine Bratschen, Kontrabässe, Oboen, Fagotte oder Posaunen. Hinzu kommen noch Schüler, die Instrumente spielen, die im klassischen Sinfonieorchester keinen Stammplatz haben, wie das Klavier, das Saxophon oder das Drumset. Auch diese Schüler sollen natürlich mitspielen dürfen.
Bekanntes Repertoire im Original zu spielen, scheidet mit dieser Besetzung meist aus. Mittlerweile gibt es jedoch eine hübsche Anzahl guter Arrangements für flexible Orchesterbesetzung, die gut spielbar sind, Spaß machen und schön klingen. Ein Verlag, der sich auf Noten für Schulorchester spezialisiert hat, ist der Musikverlag Andrea Wiegand. Das Verlagssortiment umfasst mehr als 50 Notenausgaben unterschiedlicher Genres oder Längen – von einem Arrangement des Bach-Chorals über „Jesus, bleibet meine Freude“ über Weihnachtslieder bis hin zu von Filmmusik und Hollywood inspirierten Werken. In der Reihe Erlebniskonzert werden Bearbeitungen von Opern oder anderen großen sinfonischen Werken präsentiert, die, mit moderierenden Texten sowie tänzerischer und szenischer Darstellung ausgestattet, für ein besonderes Erlebnis sorgen.
Thomas Stapf ist Hauptarrangeur des Musikverlags Andrea Wiegand. Für diesen Beitrag durften wir einen Blick in seine Arrangier-Werkstatt werfen und ihn mit all unseren Fragen löchern.
Ich habe schon als Jugendlicher komponiert und arrangiert. Oft aus der Not heraus, wenn ich nicht in der Lage war, schwierige Stücke im Original zu spielen. Durch das Schulmusik- und Kompositionsstudium habe ich dann das professionelle Handwerk gelernt. Als Orchesterleiter in der Schule stand ich wieder vor dem Problem, dass ich die großen Werke nicht in ihrer Originalgestalt aufführen konnte und habe die Stücke behutsam bearbeitet und sie spielbar gemacht.
Wichtig ist es mir, mich klanglich so weit wie möglich dem Original zu nähern. Dies ist immer wieder aufs Neue eine Herausforderung. Bei eigenen Instrumentationen, z. B. von Klavierstücken, muss ich mich in die Kompositionstechnik des Komponisten einfühlen. Arrangiere ich beispielsweise ein Klavierstück von Wolfgang Amadeus Mozart, stelle ich mir vorab folgende Fragen: Wie würde Mozart dieses Stück wohl arrangieren? Was sind die wichtigsten Besonderheiten des Stücks?
Ein für mich wichtiges Kriterium ist natürlich die Beliebtheit des Originalwerks bei Publikum und Musikern. Auch mir muss das Stück gefallen, sonst bleiben die Ideen und Inspirationen aus.
Bis jetzt habe ich noch immer eine Lösung gefunden, auch wenn es nicht immer einfach war – selbst das Arrangement von György Ligetis Orchesterwerk Atmosphères empfand ich am Ende als sehr gelungen. Vielleicht gibt es eine Grenze bei Zwölftonstücken von beispielsweise Arnold Schönberg…
Als Erstes lerne ich das Stück durch Anhören, Lesen und Spielen kennen. Danach befasse ich mich mit der Form und stelle mir die Frage, ob ich Kürzungen vornehmen muss. Manchmal erleichtert eine Transposition die Spielfähigkeit ungemein (der „Gefangenenchor“ aus Nabucco steht im Original in Fis-Dur – das geht auch einfacher, ohne dass der Charakter verloren geht). Dann mache ich mich daran, die einzelnen Stimmen zu schreiben und möglicherweise schon gleich zu vereinfachen. Da ich alle gängigen Instrumente rudimentär erlernt habe, kenne ich die Schwierigkeiten und habe in der Regel auch einen spieltechnischen Kniff parat.
Die Auswahl der Besetzung hängt in erster Linie davon ab, für wen ich das Stück arrangiere. Bei meinen Orchesterarrangements für den Musikverlag Andrea Wiegand habe ich ein Konzept entwickelt, das von vierstimmigen Sätzen ausgeht: Im Zentrum steht der Streichersatz, umgeben von Holz- und Blechbläsersätzen; das Schlagzeug ist in der Regel original oder sogar noch ergänzt. Die Stücke sind flexibel gestaltet, sodass sie schon mit wenigen Instrumenten aufführbar sind. Sind jedoch alle Stimmen besetzt, klingen die Arrangements absolut sinfonisch. Prinzipiell kann man alle Instrumente kombinieren, wie schon Dmitri Schostakowitsch bewiesen hat, der (für seine Zeit) originelle Besetzungen ausprobiert hat. Warum nicht Blockflöte und Tuba kombinieren?
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YouTube-Inhalte anzeigenDas hängt natürlich davon ab, wie komplex das Stück ist. Die Arbeit an einem Arrangement einer einfach strukturierten barocken Suite von Georg Friedrich Händel ist nicht zu vergleichen mit der an einer Sinfonie von Johannes Brahms, an der ich schon mal mehrere Monate sitze.
Super eignen sich Stücke, die eher begleitenden Charakter haben, wie z. B. der Pachelbel-Kanon. Toll spielt sich auch Tomaso Albinonis Adagio – aber auch das Schwanensee-Thema und der „Cancan“ von Jacques Offenbach lassen sich mit etwas Üben gut bewältigen.
Als Einstieg in größere Werke bietet sich meiner Erfahrung nach Franz Schuberts „Unvollendete“ an. Einzelne Passagen aus Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 5, Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 „Aus der neuen Welt“ und der Moldau von Bedřich Smetana lassen sich auch gut mit dem Schulorchester spielen.
Als Nächstes wird ein wirkungsvolles Arrangement der Winnetou-Melodie erscheinen.
Da gibt es viele Stücke. Um nur einige zu nennen: Beethovens Sinfonie Nr. 9, den „Walkürenritt“, die Ouvertüre zu La Traviata und die Filmmusik zum Psychothriller Psycho von Alfred Hitchcock.
Thomas Stapf (*1961) studierte Schulmusik, Jazz- und Popularmusik sowie Musiktheorie und Komposition. Seit 1998 unterrichtet er am Friedrich-von-Alberti-Gymnasium in Bad Friedrichshall und leitet dort mit großem Erfolg das Schulorchester. Daneben lehrte er einige Jahre als Dozent im Fach Arrangieren an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und an diversen Fortbildungsakademien. Er ist Komponist von elf Musicals sowie als Arrangeur und Autor für diverse Verlage, Chöre und Orchester tätig.
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