WMC Kerkrade Retrospektive

Wie steht es um die Blasmusik heute?

Ein Kommentar von Luc Scholtes (06.09.2022)

In der Blasmusikszene werden die Stimmen immer lauter, die behaupten, dass sich die Szene in einer schwierigen Lage befindet. Blaskapellen und -orchester haben immer weniger (vor allem aktive) Mitglieder und Nachwuchs in den Vereinen gibt es fast keinen mehr. Es gibt zwar auch Ausnahmen, doch stellt sich die generelle Frage: Welche Richtung sollte die Blasmusik einschlagen, um auch in der Zukunft möglichst viele Menschen zu erreichen?

Einen Einblick in die Szene kann uns der WMC (World Music Contest) im niederländischen Kerkrade geben, der nicht umsonst „Labor der Blasmusik“ genannt wird. Es ist das größte Blasmusikfestival der Welt und ein bekannter Musikwettbewerb für alle Formen der Blasmusik und fand diesen Juli zum 19. Mal statt.

Schaut man die Teilnehmerzahlen an, lässt sich auch beim WMC ein Negativtrend erkennen: Im Vergleich zum letzten Festival 2017 kamen 25 % weniger Teilnehmer nach Kerkrade. Gründe dafür seien Unsicherheiten im Zusammenhang mit COVID-19, der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftskrise, so der künstlerische Leiter Björn Bus. Vor allem Orchester aus Asien und vom amerikanischen Kontinent sind dieses Jahr nicht angereist. Trotzdem: mit 15.000 Teilnehmern und Hunderttausenden Besuchern war das dreiwöchige Festival mehr als erfolgreich.

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Ein vielfältiges Programm

Das Programm der WMC ist mit zahlreichen Konzerte, Open Air-Veranstaltungen und einem großen Wettbewerb für alle Teildisziplinen der Blasmusik abwechslungs- und umfangreich.

Die „Weltmeisterschaften“ für Blasorchester und Schlagzeugensembles in den verschiedenen Kategorien fanden in den beiden gut besuchten Konzertsälen Kerkrades statt. Das Interesse der Zuschauer an den Darbietungen der höheren Divisionen, also den fortgeschritteneren Levels, war erwartungsgemäß größer.

Besonders interessant war, dass die Orchester und Ensembles der höchsten Kategorie (Concert Division) ein komplettes Musikprogramm präsentierten, das um Gesang, Tanz, Theater und visuelle Aspekte ergänzt wurde. So wurde eine Art Gesamtkunstwerk präsentiert, wie es in der Welt der Blasmusik nicht oft zu sehen ist. Mit diesem ‚Experiment‘ macht der WMC seinem Namen als Labor der Blasmusik alle Ehre. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Auftritt des Gelders Fanfare Orkest zu erwähnen, das eine musikalische Weltraumreise mit dem Titel XPLORE! präsentierte. Nicht ohne Grund gewann dieses Orchester den Preis für das innovativste Programm in der höchsten Spielklasse für Fanfarenorchester.

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An den traditionellen Marsch- und Show-Wettbewerben war das Interesse leider viel geringer. Das mag damit zu tun haben, dass besonders dort die Abwesenheit der Musikgruppen aus Asien und Nordamerika, wo sich Marching Bands großer Beliebtheit erfreuen, zu spüren war. Vielleicht deuten die niedrigen Zuschauerzahlen auch auf ein generell sinkendes Interesse an dieser traditionsreichen Teildisziplin hin.

Interessant im Bereich der volkstümlichen Blasmusik ist die Verbindung zwischen dem WMC und dem Festival Woodstock der Blasmusik. Der Bandwettbewerb Copa Kapella beim WMC gilt als Vorrunde für die Teilnahme am Woodstock der Blasmusik, das 2023 wieder im österreichischen Innkreis stattfindet. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich diese Disziplin der Blasmusik durch Modernisierung des Repertoires, das unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen einmal als verstaubt und altmodisch galt, nun ungeheurer Beliebtheit erfreut.

Die parallel zu den Wettbewerben stattfindenden Konzertreihen waren ein großer Erfolg, mit ausverkauften Konzerten von unter anderem der Banda Sinfónica Municipal de Madrid (die mit Sänger, Instrumentalsolisten und Tanzgruppe eine Wahnsinns-Show ablieferten), der United States Marine Band, der Brassband Willebroek und der Black Dyke Band sowie auch der deutschen Brasspop-Band Querbeat.

Viele positive Reaktionen gab es auf das kostenlose und äußerst abwechslungsreiche Programm unter freiem Himmel, das über die ganze Stadt verteilt mit einer wunderbaren Auswahl an Jugendensembles, Big Bands, Modern Brass Bands und sowohl lokalen als auch professionellen Blaskapellen und -orchestern aufwartete. Auch Coverbands mit Bläseranteil erhielten einen Platz im Programm. Das bot den Teilnehmern die Möglichkeit, andere Blasmusikdisziplinen kennenzulernen.

Es war ebenso schön zu sehen, welche Aufmerksamkeit der Förderung der Jugend zukommt. Im Rahmen der WMC Academy fanden sich die weltweit vielversprechendsten Künstler zwischen 18 und 23 Jahren in der World Youth Brass Band zusammen, im Young Generation Project vermischten sich mehrere Jugendorchester mit großem Erfolg zu neuen Formationen und der internationale Dirigentenwettbewerb sowie die verschiedenen Workshops und Meisterkurse lockten viele internationale Teilnehmer an. Es wurden Konzerte veranstaltet, bei denen Jung und Alt aus verschiedenen Teilen der Welt einander zuhörten und voneinander lernen konnten. Dieses Academy-Programm zeigt einmal mehr, dass der WMC eine führende Rolle in der Zukunft der Blasmusik spielen möchte und hierfür immer wieder auf der Suche nach neuen Formaten ist.

Generell kann man also sagen, dass das Organisationsteam des WMC versucht hat, Querverbindungen innerhalb der Blasmusik herzustellen, sowohl zwischen verschiedenen Altersgruppen als auch zwischen unterschiedlichen Blasmusik- und Kunstdisziplinen. Das wurde von Zuschauern wie Teilnehmern gleichermaßen positiv aufgenommen.

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Résumé

Was sagt uns das alles über die Zukunft der Blasmusik?

Zuallererst: Es könnte ohne Zweifel eine schöne Zukunft für diesen wunderbaren Bereich geben. Hunderttausende von Liebhabern kamen nach Kerkrade, um all diese Formen der Blasmusik zu hören. Betrachtet man das Durchschnittsalter der Teilnehmer und der Zuschauer beim WMC, so fällt auf, dass die Blasmusik gerade eben doch bei der Jugend sehr beliebt ist. Auch wenn im Vereinswesen die jüngeren Generationen ausbleiben mögen, so ist es nicht so, dass sie grundsätzlich kein Interesse mehr an der Blasmusik haben.

Die Programmgestaltung des WMC und das unterschiedlich große Interesse an den verschiedenen Disziplinen lehren uns aber auch, dass wir mit der Zeit gehen müssen. Wenn künftige Generationen für die Blasmusik begeistert werden sollen, sind vor allem gelebte Vielfalt und Verbindungen zu anderen Disziplinen wichtiger als das Festhalten an alten Gewohnheiten. Das große Interesse an Eventkonzerten lässt vermuten, dass es für lokale Blasmusikvereine eine gute Idee wäre, z. B. das traditionelle Weihnachtskonzert um Erzähler, Tänzer und/oder Schauspieler zu ergänzen und so neue Konzertformate auszutesten. Voraussetzung bleibt natürlich immer, dass die musikalische Qualität stimmt.

Das eine allgemeingültige Rezept, das für jeden Musikverein und jede Musikschule gilt, wird es wohl nie geben. Aber Stillstand bedeutet Rückschritt. Es ist also höchste Zeit, bewusst neue Zutaten hinzuzufügen, damit für alle die richtige Kombination aus Tradition und neuer Herausforderung gefunden wird!


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