Musiker, zeigt eure Zunge!

Eine Übung zur Entspannung der Zunge für einen besseren Klang

von Sophie Stahl (31.01.2023)

Die Zunge in der Öffentlichkeit zu zeigen, wird in der Gesellschaft mit Ekel, Unmut oder Beleidigung verbunden. Laut Strafmaß für Beleidigungen wurden dafür in den letzten Jahren Bußgelder von bis zu 150 € verhängt. Für Musiker jedoch kann ein kontrolliertes Herausstrecken der Zunge die Artikulation, Koordination und Regenerationsfähigkeit verbessern und sich positiv auf eine freie Atmung auswirken.

Deshalb mein Tipp: Wähle für die praktische Umsetzung dieses Beitrags den Ort und Zeitpunkt mit Bedacht, um die große Wirkung der Zunge auf Dein Instrumentalspiel oder Singen zu erleben und Missverständnisse auszuschließen.

Zunächst lenke Deine Aufmerksamkeit auf Deine Zunge und versuche, sie ganz zu entspannen. Beantworte dabei folgende Fragen für Dich:

  • Wo im Mund liegt Deine Zunge?
  • Wo liegen die Zungenspitze und der Zungenkörper?

Vielleicht fällt Dir das gar nicht so leicht, weil es ungewohnt ist, die Zunge komplett in Ruhe zu lassen. Um die optimale Position der Zunge zu finden, ist anatomisches und physiologisches Hintergrundwissen zur Zunge hilfreich.

Die Zunge ist ein muskuläres Organ, das mit Schleimhaut überzogen und auf der zahlreiche Sinneszellen besiedelt sind. Dieses Organ besteht aus acht Muskeln, die zum Teil ineinander verflochten sind. Sie machen die Zunge zur beweglichsten Muskelgruppe des Körpers. Die Muskeln der Zunge lassen sich in 2 Hauptgruppen unterteilen: die innere und äußere Muskulatur der Zunge.

Die innere Zungenmuskulatur besteht aus Muskeln, die den Zungenkörper bilden. Diese Muskeln verbinden nicht wie die meisten Muskeln des Körpers zwei Punkte miteinander. Die Enden der Zungenmuskulatur „schweben“ quasi frei im Mund und ermöglichen zahlreiche Bewegungen. Diese Muskulatur verändert die Form der Zunge. Sie machen die Zunge schmal und lang, breit und flach, nach unten oder oben geschwungen. Mit ihrer Hilfe kannst Du Deine Zungenspitze hoch und runter bewegen.

Die äußere Zungenmuskulatur dient der Lageveränderung. Sie hebt und senkt die Zungenfurche, bewegt die gesamte Zungenmuskulatur vor und zurück und kontrolliert die gesamte hintere Zungenpartie. Ein Teil dieser Muskulatur verläuft von der inneren Kinnspitze zum Zungenbein im Hals und bildet den Zungengrund. Das Zungenbein ist über bandhafte Strukturen und Sehnen direkt mit dem Kehlkopf verbunden. Ist z. B. die äußere Muskulatur der Zunge sehr angespannt, kann dies zu Spannungen auf den Kehlkopf führen. Es entsteht ein Zug nach oben, der in manchen Fällen zu Irritationen der Stimme oder Atmung führen kann.

Schematische Darstellung der Zunge (© Henrike Haselhuhn)

Um diese Spannung kurzfristig zu lösen, kann es helfen, den Kehlkopf leicht zu fixieren und die Zunge so weit es geht nach vorne unten heraus zu strecken. Greife dafür vorsichtig (respektiere bitte jedes unangenehme Gefühl!) mit deinem Daumen und der flachen Längsseite deines Zeigefingers den Kehlkopf. Ein ganz sanftes Widerlager bei herausgestreckter Zunge reicht bereits aus, um der Muskulatur einen Dehnreiz zu geben. Durch die Entspannung der Zungenmuskulatur kann sich der Atemtrakt bei der Einatmung wieder entspannt herabsenken und die Basis für eine kontrollierte, geführte Ausatmung bilden.

Hier erfährst Du mehr über die Prozesse beim Atmen.

Der zweite Teil der äußeren Zungenmuskulatur verläuft bis zu den Rippen und den Schulterblättern. Durch diese Verbindung und weitere nervale Zusammenhänge hat die Zunge auf den Nacken, aber auch der Nacken auf die Zunge eine große Auswirkung.

Doch nun zurück zur Eingangsfrage: Wo im Mund liegt die Zunge in ihrer Ruhelage, also in ihrer physiologischen Position?

Die Zungenruhelage ist die Position, in der die Muskulatur der Zunge am ausgeglichensten ist. Von dieser Position aus hat die Zunge kurze Wege, um den Schluckprozess durchzuführen. Ebenso ist dies die optimale Ausgangsposition für die Artikulation beim Sprechen und unterstützt die Nasenatmung optimal.

In der Ruhelage liegt die Zungenspitze am oberen Gaumen hinter den Schneidezähnen. Wichtig: die Zunge berührt die Zähne nicht! Der Zungenkörper schmiegt sich entspannt (kein Pressen) an den oberen Gaumen. Dabei ist der Mund geschlossen, die Zähne schweben übereinander und du atmest locker durch die Nase.

Sollte Dir diese Position fremd sein oder gar anstrengend erscheinen, dann kann das an einer unausgeglichenen Zungenmuskulatur liegen. Dieses Ungleichgewicht kann etwa beim Spielen von Blasinstrumenten entstehen, wenn die Zunge über einen langen Zeitraum in der gleichen Position verharrt und dort selbst nach dem Üben verbleibt. Meist lässt sich dieses Ungleichgewicht durch Behandlungen, spezielle Übungen und das regelmäßige Üben der Ruhelage gut in den Griff bekommen. Bei diesem Prozess empfiehlt sich jedoch professionelle logopädische oder physiotherapeutische Unterstützung.

Wie bei jedem Muskel des Körpers, ist auch bei der Zunge eine ausgeglichene Haltung notwendig, um optimal arbeiten zu können. Deshalb ist es wichtig, auch ihr regelmäßig Aufmerksamkeit zu schenken und ihre Regenerationsfähigkeit zu fördern. Dabei hilft es, immer wieder die Zunge zu zeigen, sei es zur Dehnung der äußeren Muskulatur oder – mutig und kontrolliert tanzend in alle Himmelsrichtungen – als Training für die innere Zungenmuskulatur.

Nur eines solltest du dabei beachten: wähle Ort und Situation mit Bedacht! Die Autorin übernimmt keine Haftung für anfallende Bußgelder durch Zeigen der Zunge in missverständlichen Situationen. ;-)


Verwendete Literatur: Anita M. Kittel, Multifunktionelle Therapie, Schulze Kirchner Verlag, 6. Auflage, Idstein 2001.

Sophie Stahl

Homepage: https://sophiestahl.de/

Sophie Stahl ist als freischaffende Oboistin (M.Mus.) in NRW & Berlin sowie als freiberufliche Physiotherapeutin mit manualtherapeutischem Schwerpunkt in Essen tätig. ...

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