Multi-Instrumentalismus

Warum es schlau ist, sich instrumental breit aufzustellen

von Jan Limpert (11.09.2020)

Pop-Stars von Paul McCartney bis Dave Grohl sind bekannt dafür, verschiedene Instrumente spielen zu können, und das ist eine gute Sache, meint Jan Limpert. Lesen Sie hier sein Plädoyer für den Multi-Instrumentalismus, in dem er zusammen mit erfahrenen Musikern die vielen Vorteile eines Zweit- oder Drittinstruments erörtert.

Schon seit den Kindertagen der Popmusik gibt es in diesem Genre Multi-Instrumentalisten, also Musiker, die mehrere Instrumente beherrschen – die Stimme eingeschlossen. Wenn man die Entstehung der damals aufkommenden Strömung streng nach lexikalischer Konvention auf die 50er und 60er Jahre legt, stößt man unumgänglich auf die Beatles als eines der ersten großen Phänomene der Popmusik, deren Mitglieder schon zum großen Teil Multi-Instrumentalisten waren. Paul McCartney beispielsweise ist zwar als Bass spielender Beatle in die Geschichte eingegangen, hätte jedoch für seine Mitstreiter Ringo Starr am Schlagzeug, John Lennon an Klavier und Gitarre und George Harrison an den Sechssaitern jederzeit einspringen können. Selbiges hätte für alle anderen Beatles außer Ringo Starr gegolten, der als einziger allein seinem Schlagzeug verhaftet war.

Junge und alte Multi-Instrumentalisten im Pop

Was damals eine Besonderheit und weit entfernt von einer Art Standard in der Popmusik war, hat sich heute weitestgehend als ein solcher etabliert: Nur singen können? Nur gut im Gitarrespielen sein? Ein Instrument ist fast zu wenig, möchte man denken, betrachtet man junge Künstler wie FKJ, Jacob Collier, Tash Sultana oder Finneas O’Connell, der nicht nur Bruder des wohl gerade größten Popstars, Billie Eilish, sondern auch ihr persönlicher Produzent und Songwriter ist.

Ihre Kollegen und Vorbilder, wie Stevie Wonder, Prince, Dave Grohl – Drummer von Nirvana und Gitarrist sowie Sänger der Foo Fighters –, Lenny Kravitz, Bruno Mars oder Kevin Parker von Tame Impala haben über Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen, das Bild des singenden Multi-Instrumentalisten in der Popmusik zu verankern.

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Vorteile

Für derartige Größen war und ist es sicherlich sinnvoll, sich instrumental breit aufzustellen: Es spart Ressourcen, da weniger bis keine Studiomusiker für Aufnahmen bezahlt werden müssen und bewahrt außerdem den kreativen Egoismus, bzw. die persönliche Vision, da keine Band notwendig ist, um die eigenen Ideen und Vorstellungen im Studio umzusetzen – jede fremde Einflussnahme wird unterbunden und die Musik kann nach eigenem Wunsch umgesetzt werden. Außerdem wird so gleichsam das Image des talentierten, leichtfüßigen Musikers, der soviel mehr leistet als die Konkurrenz und sich dadurch in einer anderen Dimension des Musikmachens bewegt, verstärkt.

Mehr als nur Show

Nun aber weg vom historischen Abriss und den großen Namen hin zur Gegenwart und der Mehrheit der praktizierenden Musikerinnen und Musiker, den Nicht-Stars, also den Hobby- und Berufsmusikern, den Studenten und Dozenten. In ihrer Welt spielen Zweit- und Drittinstrumente eine nicht weniger bedeutende Rolle. Wer irgendetwas Praktisches mit Musik studieren möchte, dem reicht in den wenigsten Fällen ein Instrument aus, um die eigenen Bildungspläne in die Tat umsetzen zu können. Zweit- und Drittinstrumente sind in den meisten Ausbildungszweigen etablierter Bestandteil und sogar Grundvoraussetzung für diverse Berufsbilder, weiß Tobias Usbeck, Professor für Schulpraktisches Klavierspiel an der Hochschule für Musik Würzburg:

„Wer Musik studieren möchte, muss in der Regel neben dem Hauptinstrument noch zusätzlich Klavier lernen. Im Lehramtsstudium kommt oft noch ein drittes Instrument dazu. Außerdem spielt hier die Stimme als wichtiges Instrument eine große Rolle. Im Instrumental- oder Gesangsstudium findet eine Spezialisierung aber meistens nur auf dem Hauptinstrument statt. Ein Hauptgrund dafür ist wohl die viele Zeit, die man investieren muss, um sehr hohe spieltechnische Fertigkeiten erwerben zu können. Wird die verfügbare Übezeit also aufgeteilt, kann dementsprechend in den meisten Fällen nicht das gleiche Niveau erreicht werden.“

Findungsphasen

Bei mehreren Instrumenten heißt es: Prioritäten setzen, denn die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, kostet an jedem Musikinstrument Zeit. Jedes Instrument perfekt beherrschen zu wollen, ist daher utopisch. Das hat die 20-jährige Bass-Studentin Susi Lotter bereits früh erkannt:

„Ich habe viele Instrumente ausprobiert, Trompete, Klavier, Bass und das gefiel mir am Anfang auch sehr, hat mich aber schnell frustriert. Ich konnte zwar viele unterschiedliche Instrumente spielen, aber auf keinem Instrument die Ideen umsetzen, die ich im Kopf hatte. Ich habe mich dann an der Hochschule für Musik in München beworben, Spaßes halber auch für Bass, obwohl ich das nicht so intensiv wie Trompete gespielt habe. Ich war überrascht, dass ich angenommen wurde. Dass ich mit meinem künstlerischen E-Bass-Studium jetzt genau mein Instrument und meinen Studiengang gefunden habe, verdanke ich der Tatsache, dass ich vorher so viel ausprobiert habe.“

The bigger picture

Sich an mehreren Instrumenten zu versuchen, helfe aber nicht nur dabei, sein Lieblingsinstrument zu finden, es fördere auch das Gesamtverständnis von Musik, so Professor Usbeck:

„Der Vorteil des Erlernens mehrerer Instrumente liegt für mich einerseits in der Übertragbarkeit – was beim Erlernen eines Instruments über Musik gelernt wird, kann auf das Spiel anderer Instrumente übertragen werden –, andererseits eröffnen verschiedene Instrumente auch einen anderen Zugang zu Musik – das Klavierspiel beispielsweise fördert eher das analytische Verstehen; Singen fördert die Gestaltung von Phrasen und den Einbezug des Atmens und durch das Erlernen eines Streichinstruments wird besonders das Hören geschult. Daneben ist das – zumindest grundlegende – Beherrschen mehrerer Instrumente unglaublich hilfreich, wenn man mit anderen zusammenspielt, andere anleitet oder arrangiert.“

Für viele Musikerinnen und Musiker bedeutet das Musizieren aber nicht nur Freizeitspaß. Julian Rocco Lepore ist 30, freier Produzent, unterrichtet Gitarre und spielt Schlagzeug in einer Rockband. Gerade als Freelancer ist es für ihn von wirtschaftlichem Vorteil, nicht nur mit einem Instrument Geld zu verdienen. Er sieht neben dem finanziellen aber auch noch einen „handwerklichen“ Vorteil:

„Ich merke die Vorteile, mehrere Instrumente spielen zu können, vor allem bei der Musikproduktion. Wenn ich eine Band aufnehme, kann ich z. B. dem Schlagzeuger sagen, dass er an der einen Stelle zu schnell oder zu viel spielt, dem Gitarristen kann ich sagen, dass er die andere Stelle nochmal neu einspielen muss, weil da ein Fehler ist. Solche Dinge fallen einem nur dann auf, wenn man von den Instrumenten Ahnung hat und auch wenn man denkt, dass das nur Details sind, beeinflussen sie das Gesamtbild eines Songs extrem. Bei meiner eigenen Band kann ich dem Gitarristen eine Idee mal eben auf der Gitarre zeigen, was das Songwriting sehr vereinfacht.“

Einfach ausprobieren!

Egal ob im Beruf, Studium oder Hobby, der Griff zum Zweit- oder Drittinstrument lohnt sich immer. Auch wenn die erste Wahl nicht die Liebe fürs Leben ist, sollte man nicht sofort die Musik an den Nagel hängen. Ein Abstecher in neue instrumentale Gefilde kann nicht nur Spaß bereiten, sondern auch neue Perspektiven eröffnen oder die Lust am langjährigen Erstinstrument wieder wecken. Deshalb gilt: wer die Möglichkeit hat, sich an einem neuen Instrument auszuprobieren – und seien es nur ein paar Minuten bei Freunden oder einer Probestunde in einer Musikschule – der sollte sie nutzen!

Ein riesiges Sortiment an preiswerten Einstiegsmodellen, Probeunterrichtsstunden, Youtube-Videos und Noten zum Selbstlernen erleichtern die ersten Schritte. Also warum nicht doch noch mit den besten Kumpels die Punk-Band gründen oder sich den Kindheitstraum von einem Schlagzeug erfüllen? Nur Mut!

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